Die Reduktion von Zwang, die Stärkung der Psychotherapie, individualisierte, leitlinienbasierte Behandlungen und Partizipation sind Anforderungen an eine Psychiatrie der Zukunft. In unserer Klinik wurden zwischen 2012-2021 kontinuierlich Behandlungspfade an Bedürfnisse von Patienten angepasst, ambulante und stationäre Behandlungen verzahnt, Teams besser qualifiziert und spezialisiert, neue Eintritts- und Behandlungspfade definiert und damit eine höhere Patientenzufriedenheit, Öffnung der Klinik, massiv gesenkte Zwangsmassnahmen und Komplikationen erzielt.
ÄrztInnen, Pflegefachpersonen, PsychologInnen, Ergotherapie, Physiotherapie, SozialarbeiterInnen
Das Open Door Konzept, das mittlerweile auch teilweise als «Trackkonzept» benannt und referenziert wird, wurde seit 2012 kontinuierlich etabliert, um ein niedrigschwelliges, diagnosenspezifisches Behandlungssetting zu implementieren, das sichert, dass PatientInnen beim jeweiligen Experten für ihre individuelle Diagnose behandelt werden, dass Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geklärt sind und damit PatientInnen nicht verlegt werden, dass Akutpatienten nicht konzentriert, sondern individualisiert behandelt werden sowie eine gesicherte Behandlungskontinuität hergestellt wird, indem tagesklinische Strukturen und ambulante Strukturen den stationären Einheiten zugeordnet werden.
Ein Ziel war es, möglichst viele Betroffene über das ganze Spektrum psychischer Störungen rechtzeitig für eine Behandlung zu erreichen, krisenhafte Zuspitzungen der Symptomatik abzuwehren, Symptome bestmöglich zu adressieren und die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern oder zu bewahren. Ein weiteres Ziel war es, AkutpatientInnen nicht diagnosenübergreifend zu konzentrieren, zu beobachten und gegebenenfalls zurückzuhalten und gegen ihren Willen zu behandeln, sondern die Behandlungsverantwortung festzulegen, Liegedauern anzugleichen, um eine therapeutische Beziehungsqualität zu ermöglichen, Recovery zu ermöglichen, die Attraktivität des Behandlungsangebotes zu verbessern, Zwangsmassnahmen zu reduzieren, Verlegungen zwischen den Stationen zu reduzieren, die Stationsatmosphäre zu verbessern, modulare Psychotherapieverfahren bei allen PatientInnen vorzuhalten, die Effizienz der Behandlung zu erhöhen und vom Eintritt an vorzuhalten.
Dieses Versorgungskonzept wird mittlerweile auch als «Track-Konzept» bezeichnet und wurde auch von anderen führenden universitären Kliniken eingeführt und publiziert wie beispielsweise dem Zentralinstitut (ZI) für Seelische Gesundheit in Mannheim, dem LWL Uniklinikum in Bochum, Universitätsklinikum in Lübeck oder der Charité in Berlin, die hier sicher eine Vorreiterrolle hatte. Ein Trackkonzept, zielt darauf ab, Behandlungskontinuität zu schaffen, Behandlungsleitlinien strikt umzusetzen und die behandlungs- und diagnosenspezifische Expertise und Kompetenz zu den jeweiligen Diagnosen vom ambulanten bis zum stationären Kontext zu optimieren. Es verbessert nicht nur die Versorgungsqualität der PatientInnen, sondern es versteht sich als eine dringend notwendige Investition in die Zukunft im Sinne einer personalisierten Medizin und Basis für eine translationale klinische Forschung. Mit diesem Behandlungsmodell wird sichergestellt, dass effiziente aber komplexe und aufwendige Therapiemöglichkeiten auch dann Patienten zur Verfügung stehen, wenn krankheitsmotiviert keine Behandlung auf einer Station erwünscht ist.
Einrichtung einer zentralen Triage/Aufnahme und Walk-In Ambulanz, die 80% der eintretenden PatientInnen den für sie zunehmend massgeschneiderten Abteilungen zuweist.
Es entstanden keine zusätzlichen Aufwandkosten, es wurden klinische Ressourcen anders und neu eingesetzt und Behandlungspfade neu definiert etc.
Öffnung von 6 psychiatrischen ehemaligen geschlossenen Akutstationen mit Etablierung von Therapieschwerpunkten (Depression, Depression im Alter, Psychose im Alter, Psychose, Alkoholabhängigkeit, illegale Substanzen) sowie Schaffung von assoziierten tagesklinischen Plätzen im Sinne einer kontinuierlichen übergreifenden Behandlung ohne Therapeutenwechsel. Ca. 80% der PatientInnen werden diagnosenspezifisch und leitliniengetreu bei Experten für die jeweilige Diagnose behandelt, auf allen Abteilungen wird ein modulares psychotherapeutisches Konzept angeboten.
Die initial kurzen Liegedauern von 5 Tagen auf einzelnen Akutabteilungen durch die hohe Verlegungsquote wurden angeglichen (auf 24 Tage) und die Verlegungen reduziert (von 30% auf 10%). Isolationen wurden in dem Zeitraum stark reduziert; von ca. 900/Jahr auf 150/Jahr und Isolationsräume konnten von 18 auf 4 zurückgebaut werden.
Die Stationsatmosphäre wurde von Personal und PatientInnen positiver bewertet, es wurde eine Halbierung der Rekursrate erreicht. Deeskalationsstrategien wurden verbessert, die Vorhersage von Aggression professionalisiert. Die Zwangsmassnahmen wurden reduziert und sind etwa halb so hoch wie im Schweizer Schnitt (ANQ). Die Kommunikation der PatientInnen ist offener; informeller Zwang wurde reduziert. In der MÜPF Patientenbefragung sind über die evaluierten Jahre die Werte für Partizipation, Zusammenarbeit mit dem Behandler und Behandlung kontinuierlich angestiegen und liegen über dem Durchschnitt der Schwerpunktversorger und Grundversorger, ebenfalls im ANQ ist die Zufriedenheit der PatientInnen überdurchschnittlich. Die Anzahl der stationären Suizide liegt in den letzten drei Jahren zehn- bis vierzigfach unter dem internationalen (0,1-0,4%) und zwanzigfach unter dem deutschen Schnitt (0,2%). Im 2016 durchgeführten Zuweiserbenchmark bei der „Angemessenheit der durchgeführten Leistungen“ und „Behandlungsqualität“ schneidet die Klinik als beste Klinik mit >95%, >90% positiven Antworten ab.