Matthias Hänggi
Prof. Dr. med., Institut für Intensivmedizin, Universitätsspital Zürich
David Berger
Prof. Dr. med., Intensivstation, Departement Akutmedizin, Universitätsspital Basel, Department of Biomedical Engineering, University of Basel, Basel
Roger Ludwig
Dr. med., Universitätsklinik für Intensivmedizin, Universitätsspital Bern – Inselspital
Nadja Schai
Dr. med., Universitätsklinik für Intensivmedizin, Universitätsspital Bern – Inselspital
Raphaël Giraud
PD Dr. med., Service des soins intensifs, Département de médecine aigue, Hôpitaux Universitaires de Genève
Gian-Reto Kleger
Dr. med, Klinik für Intensivmedizin, Kantonsspital St. Gallen
Patricia Fodor
KD Dr. med, Institut für Intensivmedizin, Stadtspital Zürich
Luca Cioccari
PD Dr. med., Klinik für Intensivmedizin, Kantonsspital Aarau
Andreas Bloch
PD Dr. med., Zentrum für Intensivmedizin, Luzerner Kantonsspital
Tiziano Cassina
Prof. Dr. med., Servizio di Cardioanestesia e Medicina intensiva, Istituto Cardiocentro Ticino, Lugano
Lise Piquilloud
MER et PD, Service de médecine intensive adulte, Centre hospitalier universitaire vaudois, Lausanne
Airway, Breathing, Circulation – die Grundlagen des Lebens. Schwerwiegende Störungen dieser ABCs sind mit dem Überleben nicht vereinbar. Die Herz-Lungen-Maschine (HLM) wurde in den 50er Jahren für die Herzchirurgie entwickelt. Der Einsatz der HLM als ECLS (Extra-Corporale Life Support) ausserhalb des OPs war nicht erfolgreich, erst 1971 überlebte der erste Patient 75 Stunden an einer ECMO (Extra-Corporale Membran Oxygenation), nachdem die konventionelle Therapie des ARDS (= Acute Respiratory Distress Syndrom) erfolglos war [1]. Doch die frühen Studien blieben mit Mortalitäten von > 90 % negativ [2]. Mit Weiterentwicklungen im Bereich Biokompatibilität der Membrane, der Zentrifugalpumpen und der Miniaturisierung standen technisch ausgereifte, relativ handliche Geräte Anfang des Jahrhunderts zur Verfügung. Nach wie vor fehlte es aber an Erfahrung, die Indikationen waren unklar, und Studien mit den modernen ECMO-Geräten existierten nicht. Entsprechend wurde die ECMO Therapie selten angewendet. Die H1N1 Pandemie im Jahr 2009 mit vielen ARDS-Patienten stellte den Wendepunkt in der Geschichte der ECMO dar. Die Anzahl der Behandlungen, Geräte und Zentren, welche diese Therapien anbieten, wuchsen exponentiell. Spätestens mit COVID-19 und mehr als 20 000 Behandlungen ist die ECMO etabliert und der breiteren Öffentlichkeit bekannt [3].
Möglichkeiten der ECMO – und Evidenz
Ein modernes ECLS / ECMO-Gerät ist handlich, transportabel, und hat alle wesentlichen Komponenten integriert: die Pumpe, welche das Blut aktiv transportiert, den Oxygenator, welcher für den Gasaustausch ermöglicht, und die Steuerungs- und Monitoreinheit. Das Blut wird über grosse Kanülen (bis 32 French = 11 mm Innendurchmesser) drainiert, der Pumpe zugeführt, zum Oxygenator geleitet und dem Patienten über eine etwas kleinere Kanüle wieder zurückgegeben. Die Blutgefässe, in denen die Kanülen eingelegt werden sind abhängig von der Indikation der ECMO und variieren auch zwischen den Zentren.
Bei reinen Störungen der Lungenfunktion wird in der Regel das Blut im Bereich der Vena cava inferior abgesaugt, durch den Oxygenator geführt und über die Vena Jugularis vor dem rechten Vorhof zurückgegeben (veno-venöses ECMO, VV-ECMO).
Bei Rechts- und / oder Linksherzversagen (mit oder ohne begleitender Lungenfunktionsstörungen) wird das Blut analog der VV-ECMO in der Vena cava oder im rechten Vorhof drainiert, dann jedoch arteriell zurückgegeben, zumeist in der Art. femoralis, im perioperativen Setting gelegentlich in die Aorta ascendens (veno-arterielles ECLS oder ECMO, VA-ECMO). Die Extremform der VA-ECMO stellt die ECPR (= extrakorporale kardiopulmonale Reanimation) dar: die ECLS / ECMO-Einlage geschieht bei Patienten unter laufender Reanimation.
Das blaue Gerät (oben auf dem Gestell) ist die ECMO. Die beiden Schläuche die über den Bettrand zum Patienten führen transportieren das desoxygenierte Blut vom und das oxygenierte Blut zum Patienten. Unten ist die ECMO-Heizung, da der Patient mit dem extrakorporalen Kreislauf auf Dauer auskühlen kann. (© Matthias Exl, Inselspital Bern)
Was hier kurz beschrieben wird, ist in der Praxis kompliziert, aufwändig, risikoreich und ressourcenintensiv. Angesichts der Erkrankungsschwere der Patienten können plötzlich auftretende Ereignisse unmittelbar zum Tode führen. Die Liste der Komplikationen ist lang und kann grob in technische Probleme (auch Einlageprobleme der Kanülen), Blutungs- Kreislauf-, und Gefässkomplikationen sowie neurologische und infektiöse Komplikationen eingeteilt werden.
Angesichts der Invasivität und den genannten Herausforderungen sollte die Indikationsstellung für den Einsatz der ECMO klar formuliert werden. Allen Formen der ECMO ist gemeinsam, dass mit der ECMO-Therapie lediglich Zeit gewonnen wird, um die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln.
Für den Bereich der VV-ECMO – die häufigste Anwendung – ist die Indikation recht gut umschrieben. Die CESAR [4] und EOLIA [5] Studien zeigten keinen eindeutigen Vorteil einer VV-EMCO-Behandlung bei schwerem ARDS, deren Methodologie gab allerdings Anlass zu Diskussionen. Immerhin konnte CESAR zeigen, dass Patienten, welche in das Zentrum mit ECMO-Kapazität transferiert wurden, ein besseres Outcome hatten, unabhängig davon, ob sie am ECMO-Zentrum eine ECMO eingelegt bekamen [4]. Problematisch bei der Beurteilung der «EOLIA» Studie ist, dass 28 % der Patienten der konventionellen Gruppe eine ECMO erhielten («crossover»), weil sie unmittelbar zu versterben drohten, oder bereits einen Herzstillstand erlitten haben [5]. Die Analyse der individuellen Patientendaten von CESAR und EOLIA zeigte einen Überlebensvorteil für Patienten mit schwerem Lungenversagen [6]. Die meisten Experten sind heute der Ansicht, dass Patienten mit ARDS, welche die «EOLIA -Kriterien» erfüllen, von einer VV-ECMO Therapie profitieren.
Für den Bereich VA-ECMO ist die Datenlage weniger gut. Hinzukommt, dass mit der neuen Generation der perkutanen axialen Pumpen (z. B. «Impella») neue mechanische Unterstützungssysteme ohne Oxygenator zur Verfügung stehen. Eine Metanalyse mit Studien zu allen Formen der MCS (mechanical circulatory support) zeigte nur eine beschränkte Verbesserung des Outcomes [7]. Somit gibt es weiterhin keinen Konsensus bezüglich Indikation und Patientenauswahl für MCS. Es gilt, MCS auf Patienten mit behandelbarer Ursache des Herzversagens zu beschränken und früh einzusetzen, bevor es zu manifesten sekundären Schäden durch den Schock gekommen ist [8].
Ebenfalls dürftig ist die Datenlage bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand. Eine randomisierte Studie aus den USA mit 30 Patienten zeigte, dass die ECLS-Patienten ein signifikant besseres Outcome hatten [9]. Zwei grössere Studie aus Prag mit 256 Patienten [10] und den Niederlanden mit 160 Patienten [11] zeigten formal kein verbessertes Outcome. Hier verdeutlichen sich die Schwierigkeiten mit Studien in diesem Setting: die hohe Anzahl von «crossover», und in der holländischen Multizenterstudie wurden auch kleine Zentren mit wenig Erfahrung eingeschlossen.
Beurteilung und Diskussion
ECMO hat die therapeutischen Möglichkeiten bei Versagen der Vitalfunktionen erweitert und revolutioniert. Einzelne Patienten profitieren von der ECMO, aber die ECMO Therapie birgt erhebliche Risiken: in der erwähnten Prager Studie erlitten 11 % der ECMO-Patienten fatale Blutungskomplikationen, und 22 % hatten eine Hirnblutung, hinzu kommen Amputationen nach Beinischämien und andere schwere Komplikationen. Neben den Risiken für den einzelnen Patienten müssen auch der erhebliche Aufwand und Ressourcenverbrauch der einzelnen Kliniken mit eingerechnet werden: bei instabilen ECMO-Patienten kann für die Betreuung eine Nurse-to-Patient Ratio von 2:1 notwendig werden. Konsequenzen dieses Aufwandes sind Betreuungsengpässe, Verschiebungen von OPs und Verlegungen von anderen Patienten in entferntere Spitäler. Die britische CESAR Studie zeigte, dass der Transfer in ein «acute respiratory failure centre» mit Möglichkeit der ECMO einen Überlebensvorteil bringt, nicht aber die ECMO-Maschine selber [4]. ECMO-Zentren mit hoher Fallzahl haben ein besseres Outcome als kleinere Zentren [12, 13]. Angesichts der Komplexität der Behandlung ist dies leicht nachvollziehbar, doch die Frage, wo die «kritische Grösse» liegt, kann nicht eindeutig beantwortete werden. Internationale Guidelines empfehlen eine Mindestfallzahl von 20 Patienten / Jahr für VA- als auch für VV-ECMOs [14, 15]. In der Schweiz ist der Einsatz von ECMO nicht reguliert. Im Jahr 2022 wurden auf Schweizer Intensivstationen gesamthaft 434 ECLS /ECMO-Behandlungen (VA, VV und ECPR) durchgeführt. Angesichts dieser geringen Zahl von ECMO-Behandlungen stellt sich die Frage wie die Behandlungsqualität aufrechterhalten werden kann. Ausserdem fehlen Daten zu den patient-related outcome measures (PROMS). Damit bleibt unklar, ob in der Schweiz alle Patienten von der ECLS / ECMO Revolution profitieren, oder ob manche Patienten einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt werden.