FMH – Berufsverband
 
SÄZ - Schweizerische Ärztezeitung
Ausgabe 09-10 Weitere Organisationen und Institutionen – Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin SGI

ECLS und ECMO: Revolution oder Risiko?

Sauerstoffversorgung Herz und Lunge sind gemeinsam für die Sauerstoffver­sorgung des Körpers verantwortlich. Eine einfache Maschine, welche beide Organe ersetzen kann – ECLS und ECMO, der Traum aller Akutmedizinerinnen und -mediziner?

Matthias Hänggi
Prof. Dr. med., Institut für Intensivmedizin, Universitätsspital Zürich

David Berger
Prof. Dr. med., Intensivstation, Departement Akutmedizin, Universitätsspital Basel, Department of Biomedical Engineering, University of Basel, Basel

Roger Ludwig
Dr. med., Universitätsklinik für Intensivmedizin, Universitätsspital Bern – Inselspital

Nadja Schai
Dr. med., Universitätsklinik für Intensivmedizin, Universitätsspital Bern – Inselspital

Raphaël Giraud
PD Dr. med., Service des soins intensifs, Département de médecine aigue, Hôpitaux Universitaires de Genève

Gian-Reto Kleger
Dr. med, Klinik für Intensivmedizin, Kantonsspital St. Gallen

Patricia Fodor
KD Dr. med, Institut für Intensivmedizin, Stadtspital Zürich

Luca Cioccari
PD Dr. med., Klinik für Intensivmedizin, Kantonsspital Aarau

Andreas Bloch
PD Dr. med., Zentrum für Intensivmedizin, Luzerner Kantonsspital

Tiziano Cassina
Prof. Dr. med., Servizio di Cardioanestesia e Medicina intensiva, Istituto Cardiocentro Ticino, Lugano

Lise Piquilloud
MER et PD, Service de médecine intensive adulte, Centre hospitalier universitaire vaudois, Lausanne

Airway, Breathing, Circulation – die Grundlagen des Lebens. Schwerwiegende Störungen dieser ABCs sind mit dem Überleben nicht vereinbar. Die Herz-Lungen-Maschine (HLM) wurde in den 50er Jahren für die Herzchirurgie entwickelt. Der Einsatz der HLM als ECLS (Extra-Corporale Life Support) ausserhalb des OPs war nicht erfolgreich, erst 1971 überlebte der erste Patient 75 Stun­den an einer ECMO (Extra-Corporale Membran Oxygenation), nachdem die konventionelle Therapie des ARDS (= Acute Respiratory Distress Syndrom) erfolglos war [1]. Doch die frühen Stu­dien blieben mit Mortalitäten von > 90 % negativ [2]. Mit Weiterent­wicklungen im Bereich Biokompatibilität der Membrane, der Zentrifugalpumpen und der Miniaturisierung standen technisch ausgereifte, relativ handliche Geräte Anfang des Jahrhunderts zur Verfügung. Nach wie vor fehlte es aber an Erfahrung, die Indikationen waren unklar, und Studien mit den modernen ECMO-Geräten existierten nicht. Entsprechend wurde die ECMO Thera­pie selten angewendet. Die H1N1 Pandemie im Jahr 2009 mit vielen ARDS-Patienten stellte den Wendepunkt in der Geschichte der ECMO dar. Die Anzahl der Behandlungen, Geräte und Zentren, welche diese Therapien anbieten, wuchsen exponentiell. Spätestens mit COVID-19 und mehr als 20 000 Be­handlungen ist die ECMO etabliert und der breiteren Öffentlichkeit bekannt [3].

Möglichkeiten der ECMO – und Evidenz
Ein modernes ECLS / ECMO-Gerät ist handlich, transportabel, und hat alle wesentlichen Komponenten integriert: die Pumpe, welche das Blut aktiv transportiert, den Oxygenator, welcher für den Gasaustausch ermöglicht, und die Steuerungs- und Monitoreinheit. Das Blut wird über grosse Kanülen (bis 32 French = 11 mm Innendurchmesser) drainiert, der Pumpe zugeführt, zum Oxygenator geleitet und dem Patienten über eine etwas kleinere Kanüle wieder zurückgegeben. Die Blutgefässe, in denen die Kanülen eingelegt werden sind abhängig von der Indikation der ECMO und variieren auch zwischen den Zentren.
Bei reinen Störungen der Lungenfunktion wird in der Regel das Blut im Bereich der Vena cava inferior abgesaugt, durch den Oxygenator geführt und über die Vena Jugularis vor dem rechten Vorhof zurückgegeben (veno-venöses ECMO, VV-ECMO).
​​​​​​​Bei Rechts- und / oder Linksherzversagen (mit oder ohne begleitender Lungen­funktionsstörungen) wird das Blut analog der VV-ECMO in der Vena cava oder im rechten Vorhof drainiert, dann jedoch arteriell zurückgegeben, zumeist in der Art. femoralis, im perioperativen Setting gelegentlich in die Aorta ascendens (veno-arterielles ECLS oder ECMO, VA-ECMO). Die Extremform der VA-ECMO stellt die ECPR (= extrakorporale kardiopulmonale Reanima­tion) dar: die ECLS / ECMO-Einlage geschieht bei Patienten unter laufender Reanimation. 

Das blaue Gerät (oben auf dem Gestell) ist die ECMO

Das blaue Gerät (oben auf dem Gestell) ist die ECMO. Die beiden Schläuche die über den Bettrand zum Patienten führen transportieren das desoxygenierte Blut vom und das oxygenierte Blut zum Patienten. Unten ist die ECMO-Heizung, da der Patient mit dem extrakorporalen Kreislauf auf Dauer auskühlen kann. (© Matthias Exl, Inselspital Bern)

Was hier kurz beschrieben wird, ist in der Praxis kompliziert, aufwändig, risikoreich und ressourcenintensiv. Ange­sichts der Erkrankungsschwere der Patien­ten können plötzlich auftretende Ereignisse unmittelbar zum Tode führen. Die Liste der Komplikationen ist lang und kann grob in technische Probleme (auch Einlageprobleme der Kanülen), Blutungs- Kreislauf-, und Gefässkomplikationen sowie neurologische und infektiöse Komplikationen eingeteilt werden.
Angesichts der Invasivität und den genannten Herausforderungen sollte die Indikationsstellung für den Einsatz der ECMO klar formuliert werden. Allen Formen der ECMO ist gemeinsam, dass mit der ECMO-Therapie lediglich Zeit gewonnen wird, um die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln.
Für den Bereich der VV-ECMO – die häufigste Anwendung – ist die Indikation recht gut umschrieben. Die CESAR [4] und EOLIA [5] Studien zeigten keinen eindeutigen Vorteil einer VV-EMCO-Behandlung bei schwerem ARDS, deren Methodologie gab allerdings Anlass zu Diskussionen. Immerhin konnte CESAR zeigen, dass Patienten, welche in das Zentrum mit ECMO-Kapazität transferiert wurden, ein besseres Outcome hatten, unabhängig davon, ob sie am ECMO-Zentrum eine ECMO eingelegt bekamen [4]. Problematisch bei der Beurteilung der «EOLIA» Studie ist, dass 28 % der Patienten der konventionellen Gruppe eine ECMO erhielten («crossover»), weil sie unmittelbar zu versterben drohten, oder bereits einen Herzstillstand erlitten haben [5]. Die Analyse der individuellen Patientendaten von CESAR und EOLIA zeigte einen Überlebensvorteil für Patienten mit schwerem Lungenversagen [6]. Die meisten Experten sind heute der Ansicht, dass Patienten mit ARDS, welche die «EOLIA -Kriterien» erfüllen, von einer VV-ECMO Therapie profitieren.
Für den Bereich VA-ECMO ist die Datenlage weniger gut. Hinzukommt, dass mit der neuen Generation der perkutanen axialen Pumpen (z. B. «Impella») neue mechanische Unterstützungs­systeme ohne Oxygenator zur Verfügung stehen. Eine Metanalyse mit Studien zu allen Formen der MCS (mechanical circulatory support) zeigte nur eine beschränkte Verbesserung des Outcomes [7]. Somit gibt es weiterhin keinen Kons­ensus bezüglich Indikation und Patient­enauswahl für MCS. Es gilt, MCS auf Patienten mit behandelbarer Ursache des Herzversagens zu beschränken und früh einzusetzen, bevor es zu manifesten sekundären Schäden durch den Schock gekommen ist [8].
​​​​​​​Ebenfalls dürftig ist die Datenlage bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand. Eine randomisierte Studie aus den USA mit 30 Patienten zeigte, dass die ECLS-Patienten ein signifikant besseres Outcome hatten [9].  Zwei grössere Stu­die aus Prag mit 256 Patienten [10] und den Niederlanden mit 160 Patienten [11] zeigten formal kein verbessertes Out­come. Hier verdeutlichen sich die Schwierigkeiten mit Studien in diesem Setting: die hohe Anzahl von «crossover», und in der holländischen Multi­zenterstudie wurden auch kleine Zentren mit wenig Erfahrung eingeschlossen.

Beurteilung und Diskussion
ECMO hat die therapeutischen Möglichkeiten bei Versagen der Vital­funktionen erweitert und revolutioniert. Einzelne Patienten profitieren von der ECMO, aber die ECMO Therapie birgt erhebliche Risiken: in der erwähnten Prager Studie erlitten 11 % der ECMO-Patienten fatale Blutungs­kompli­kationen, und 22 % hatten eine Hirn­blutung, hinzu kommen Ampu­tationen nach Beinischämien und andere schwere Komplikationen. Neben den Risiken für den einzelnen Patienten müssen auch der erhebliche Aufwand und Res­sour­cenverbrauch der einzelnen Kliniken mit eingerechnet werden: bei instabilen ECMO-Patienten kann für die Be­treuung eine Nurse-to-Patient Ratio von 2:1 notwendig werden. Konse­quenzen dieses Aufwandes sind Betreu­ungs­engpässe, Verschiebungen von OPs und Verlegungen von anderen Patienten in entferntere Spitäler. Die britische CESAR Studie zeigte, dass der Transfer in ein «acute respiratory failure centre» mit Möglichkeit der ECMO einen Überlebensvorteil bringt, nicht aber die ECMO-Maschine selber [4]. ECMO-Zentren mit hoher Fallzahl haben ein besseres Outcome als kleinere Zentren [12, 13]. Angesichts der Komplexität der Behandlung ist dies leicht nachvollziehbar, doch die Frage, wo die «kritische Grösse» liegt, kann nicht eindeutig beantwortete werden. Internationale Guide­­lines empfehlen eine Mindest­fallzahl von 20 Patienten / Jahr für VA- als auch für VV-ECMOs [14, 15]. In der Schweiz ist der Einsatz von ECMO nicht reguliert. Im Jahr 2022 wurden auf Schweizer Intensivstationen gesamthaft 434 ECLS /ECMO-Behandlungen (VA, VV und ECPR) durchgeführt. Angesichts dieser geringen Zahl von ECMO-Behand­lungen stellt sich die Frage wie die Behandlungsqualität aufrechterhalten werden kann. Ausserdem fehlen Daten zu den patient-related outcome measures (PROMS). Damit bleibt unklar, ob in der Schweiz alle Patienten von der ECLS / ECMO Revolution profitieren, oder ob manche Patienten einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt werden.

Literatur

  1. Hill JD, O‘Brien TG, Murray JJ, et al. Prolonged extracorporeal oxygenation for acute post-traumatic respiratory failure (shock-lung syndrome). Use of the Bramson membrane lung. N Engl J Med 1972;286(12):629-34. DOI: 10.1056/NEJM197203232861204.
  2. Zapol WM, Snider MT, Hill JD, et al. Extracorporeal membrane oxygenation in severe acute respiratory failure. A randomized prospective study. JAMA 1979;242(20):2193-6. DOI: 10.1001/jama.242.20.2193.
  3. Report ER. ECLS Registry Report: International Summary, Ann Arbor, Extracorporeal Life Support Organization, 2023. (https://www.elso.org/registry/internationalsummaryandreports/internationalsummary.aspx).
  4. Peek GJ, Clemens F, Elbourne D, et al. CESAR: conventional ventilatory support vs extracorporeal membrane oxygenation for severe adult respiratory failure. BMC Health Serv Res 2006;6:163. DOI: 10.1186/1472-6963-6-163.
  5. Combes A, Hajage D, Capellier G, et al. Extracorporeal Membrane Oxygenation for Severe Acute Respiratory Distress Syndrome. N Engl J Med 2018;378(21):1965-1975. DOI: 10.1056/NEJMoa1800385.
  6. Combes A, Peek GJ, Hajage D, et al. ECMO for severe ARDS: systematic review and individual patient data meta-analysis. Intensive Care Medicine 2020;46(11):2048-2057. DOI: 10.1007/s00134-020-06248-3.
  7. Low CJW, Ling RR, Lau MPXL, et al. Mechanical circulatory support for cardiogenic shock: a network meta-analysis of randomized controlled trials and propensity score-matched studies. Intensive Care Medicine 2024;50(2):209-221. DOI: 10.1007/s00134-023-07278-3.
  8. Buda KG, Hryniewicz K, Eckman PM, et al. Early vs. Delayed Mechanical Circulatory Support in Patients with Acute Myocardial Infarction and Cardiogenic Shock. European Heart Journal Acute Cardiovascular Care 2024. DOI: 10.1093/ehjacc/zuae034.
  9. Yannopoulos D, Bartos J, Raveendran G, et al. Advanced reperfusion strategies for patients with out-of-hospital cardiac arrest and refractory ventricular fibrillation (ARREST): a phase 2, single centre, open-label, randomised controlled trial. Lancet 2020;396(10265):1807-1816. DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32338-2.
  10. Belohlavek J, Smalcova J, Rob D, et al. Effect of Intra-arrest Transport, Extracorporeal Cardiopulmonary Resuscitation, and Immediate Invasive Assessment and Treatment on Functional Neurologic Outcome in Refractory Out-of-Hospital Cardiac Arrest: A Randomized Clinical Trial. JAMA 2022;327(8):737-747. DOI: 10.1001/jama.2022.1025.
  11. Suverein MM, Delnoij TSR, Lorusso R, et al. Early Extracorporeal CPR for Refractory Out-of-Hospital Cardiac Arrest. N Engl J Med 2023;388(4):299-309. DOI: 10.1056/NEJMoa2204511.
  12. Barbaro RP, Odetola FO, Kidwell KM, et al. Association of hospital-level volume of extracorporeal membrane oxygenation cases and mortality. Analysis of the extracorporeal life support organization registry. Am J Respir Crit Care Med 2015;191(8):894-901. DOI: 10.1164/rccm.201409-1634OC.
  13. Lebreton G, Schmidt M, Ponnaiah M, et al. Extracorporeal membrane oxygenation network organisation and clinical outcomes during the COVID-19 pandemic in Greater Paris, France: a multicentre cohort study. Lancet Respir Med 2021;9(8):851-862. DOI: 10.1016/S2213-2600(21)00096-5.
  14. Fischer S, Assmann A, Beckmann A, et al. Empfehlungen der S3-Leitlinie (AWMF) «Einsatz der extrakorporalen Zirkulation (ECLS/ECMO) bei Herz- und Kreislaufversagen». Zentralbl Chir 2022;148(03):284-292. (In De). DOI: 10.1055/a-1918-1999.
  15. [Clinical Guideline for Treating Acute Respiratory Insufficiency with Invasive Ventilation and Extracorporeal Membrane Oxygenation]. Chirurg 2021;92(9):851-852. (In ger). DOI: 10.1007/s00104-021-01458-x.

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